Von Halloween mag man ja halten, was man will: Für die einen ist es der reine, aus Übersee importierte Kommerz, für die anderen ein Riesenspaß. Machen wir uns nichts vor, sich verkleiden, in der Dämmerung an fremden Türen Süßigkeiten einfordern und Schrecken verbreiten? – Großartig! Und wenn man dann erwachsen ist, hört die Freude am gepflegten Grusel ja auch nicht einfach auf. Wir schauen Horrorfilme, fahren im Freizeitpark mit der Geisterbahn oder lauschen Gruselgeschichten. Wir beißen in Sofakissen, wir kreischen, wir kriegen Gänsehaut und finden das auch noch gut. Seit Jahrhunderten gibt es sie, die Sagen, Märchen und Mythen, die schon unseren Ahnen das Blut in den Adern gefrieren ließen.
De Mönchgauder Spaukgeschichten von 1898
Geschichten von blutsaugenden Nachtgestalten, einäugigen Ungeheuern oder ruhelosen Schreckgespenstern versüßen uns so manchen, endlos erscheinenden Winterabend. So ging ich also auf die Suche nach Rügener Gruselgeschichten und stieß auf die Mönchgauder Spaukgeschichten von Fritz Worm, erschienen 1898, verlegt in Greifswald.
Worm ist zwar kein gebürtiger Rüganer, aber nachdem er auf die Insel strafversetzt worden war (angeblich stand er mit einem Artikel in der Stralsunder Zeitung in Verbindung, in der es um die schlechten Wohnverhältnisse von Lehrern auf dem Lande ging), gefiel es dem Lehrer und Heimatdichter hier – verständlicherweise – derart gut, dass er bis zu seinem Tode blieb.
De lütt´n Unnerird´schen & De Klaubaudermann
In den Jahren von 1892, als er im Herbst nach Alt Reddevitz umsiedelte, bis 1931 unterrichtete er hier, führte Suchgrabungen auf Mönchgut durch (sein bedeutendster Fund ist das Herzoggrab, ein Hünengrab mit wertvollen Beigaben aus der Jungsteinzeit) und widmete sich dem umfangreichen Schaffen plattdeutscher Literatur, darunter die Mönchgauder Spaukgeschichten, von denen mir die Mönchguter Museen des Ostseebades Göhren freundlicherweise Auszüge zur Verfügung gestellt haben. Hier nun in der Kurzversion nacherzählt: „De lütt´n Unnerird´schen“ und „De Klaubaudermann“. Angenehmes Gruseln (keine Angst, vor rund 120 Jahren hat man sich noch ein bisschen harmloser gegruselt).
Ein Bauer kommt an einem Berg vorbei, plötzlich hört er jemanden rufen: „Schmit´n Haut rut, schmit´n Haut rut“ (Schmeiß´ den Hut raus). Er bleibt stehen und sieht einen Unterirdischen vor dem Loch, das in den Berg führt, herumspringen. Wieder ruft dieser: „schmit´n Haut rut“, woraufhin ihm aus den Tiefen des Berges ein Hut zugeworfen wird. Der Unterirdische setzt ihn auf und wird unsichtbar. „Dat´s jo gor nich äwel“ (das ist ja gar nicht übel), denkt sich der Bauer, stellt sich vor das Loch und ruft ebenfalls „Schmit´n Haut rut!“ Ist nur noch der vom Großvater da, schallt es ihm aus dem Berg entgegen. „Is`t, wat is´t, schmit du man rut“ antwortet der Bauer, setzt sich den zugeworfenen Hut auf und macht sich nun, da er unsichtbar ist, auf den Weg zur Hochzeit, die gerade im Dorf gefeiert wird und zu der er nicht eingeladen war.
Dort angekommen, greift er sich als erstes die besten und saftigsten Stücke des Schweinebratens. Dann schlägt er David Wittmüs, der einst sein Weib begehrt hatte, mit voller Kraft ins Gesicht, so dass der von der Bank und unter den Tisch fiel. Nun gibt es allgemeinen Krawall. „Und so was denn denn uck bald up de Hochtid in dat ein Zimmer Keilerei und in dat anner Tanzvergnügen.“ Der Bauer flüchtet sich nach draußen und beobachtet das Chaos, das er angerichtet hat, genüsslich durchs Fenster. Plötzlich wird er von den Unterirdischen umringt, die ihn trotz des Hutes sehen können. Sie tanzen um ihn herum, machen fürchterliche Grimassen und „allerlei Hokuspokus“, bis er es mit der Angst zu tun bekommt. Er rennt zum Berg, wirft den Hut zurück in das Loch und läuft nach Hause. Vor dem Berg „hadd hei sit der Tid einen heilosen Respekt.“
„Up´n groden Hamburger Dreimaster, dor fohrte eis ´n Zimmerman, de was von Mönchgaud“. Als er da so spätnachts an der Rehling steht, kommt ihm plötzlich eine Gestalt entgegen, die ein Bündel im Nacken trägt. Er erkennt diese als den Klabautermann. Diesem wird nachgesagt, dass er in die Zukunft sehen kann und lange vorher weiß, wenn einem Schiff ein Unglück bevorsteht.
Der Zimmermann wundert sich, als er den Klabautermann so reisefertig vor sich sieht und fragt: „Warum willst du gehen, hett di wer wat dahn?“. „Nee, Zimmermann,“ antwortet der Klabautermann, „getan hat mir keiner was, aber wenn dir dein Leben lieb ist, dann komm mit. Du sollst erleben, das Schiff kommt nicht dahin, wo es hinwill. Mit Mann und Maus geht es auf dieser Reise auf Grund“. So geht der Zimmermann mit ihm von Bord und tut gut daran. „Dat Schipp (…), verschwunn´n is´t mit Mann un Mus“
Wer sich für das Buch von Fritz Worm interessiert, kann sich übrigens gern an die Mönchguter Museen im Ostseebad Göhren wenden und einen Termin zur Einsicht vereinbaren. Ein Besuch lohnt sich ohnehin. www.moenchguter-museen-ruegen.de
Alles Wissenswerte rund um die Halbinsel Mönchgut sowie Unterkünfte können Sie hier entdecken.
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