Surfer-Lyrik: „Das Frühlingsmeer“


Holger Vonberg ist gebürtiger und bekennender Rüganer. Sein Berufswunsch als Zweijähriger: „Urlauber Baabe“. Das hat nicht ganz geklappt. Ab 1991 war er als Journalist u. a. für den NDR, die OZ und den „Urlaubs-Lotsen“ auf der Insel unterwegs. Bis März... mehr

Oliver Thassler lässt die Leser eintauchen in die Welt der Wellenreiter

Das Wellenreiten ist eine faszinierende Sportart, über die schon viele Filme gedreht und Bücher geschrieben wurden. Es gibt Fachbücher über die Technik des Surfens, Surfmagazine wie Sand am Meer, auch Romane über die Philosophie jener Menschen, die manchmal sogar zeitlebens auf der Suche nach der perfekten Welle sind. Oliver Thassler ist so ein begeisterter Surfer. Über seine Leidenschaft hat er ein Buch veröffentlicht: „Das Frühlingsmeer“. Und dieses Buch dürfte deutschlandweit einmalig sein, der Lyrikband eines Surfers.

Vor ein paar Jahren bin ich Oliver Thassler schon einmal begegnet. Es war ein eisiger Frühlingstag. Ich stand, bibbernd vor Kälte, am Strand von Binz. Eiskalter Nordostwind trieb gewaltige Wellen an Land. Und auf diesen Wellen ritt der fast zwei Meter große Mann, stehend auf einem Surfbrett, nur geschützt von einem Neopren-Anzug. Immer und immer wieder paddelte er auf dem Bauch liegend durch das schäumende Wasser, um in den Gleichklang mit einer Welle zu kommen. Dann richtete er sich auf und ließ sich von ihr tragen. Für einen Moment nur. Und ein Lächeln huschte über seine blauen Lippen. War das vielleicht sein Frühlingsmeer, das er in seinem Lyrikband beschreibt?

„Das Frühlingsmeer besitzt keine geographischen Koordinaten“, ist auf dem Einband zu lesen. „In den Nordmeeren tritt es ebenso in Erscheinung wie in der Südsee. In den Monaten jahreszeitlichen Aufbegehrens erwächst es in uns und fordert die maritimen Sehnsüchte heraus. Das Frühlingsmeer ist . . . Metapher für die unbeschwerte Lebendigkeit, die in ihrer Weite endlos scheint wie die Ozeane.“

Oliver Thassler wurde 1973 in Hamburg geboren. Er studierte Landschaftsplanung, arbeitete als Umweltpädagoge und veröffentlichte unter anderem Beiträge über das Natur- und Kulturerbe baltischer Küstenlandschaften. Er setzt sich ein für die nachhaltige Nutzung und Wahrung von Meeres- und Küsten-Ökosystemen. Und er ist ein Romantiker, immer auf der Suche nach größeren Wellen, erst in der Nord- und Ostsee, dann an der Küste von Portugal.

„Ich kenne keine Bewegung, keine Tätigkeit im Leben, bei der man die Dynamik der Natur so direkt auf den Körper übertragen fühlt. Und mit dieser Kraft kann man spielen. Es ist ein Gefühl der Leichtigkeit, der Schwerelosigkeit.“

Liebe verleiht Flügel, so sagt man. Und sie lässt das Blut wallen in poetischen Adern. So auch bei Oliver Thassler, der in Thüringen und auf Rügen sein Zuhause hat. Das Buch widmet er seiner Liebe. Sie heißt Niki.

Die Faszination des Wellenreitens und der überwältigenden Natur in Worte zu fassen, gelingt dem schreibenden Surfer, der sich schon haushohen Wellen gestellt hat.

Seine Gedichte sind Momentaufnahmen.

„Hier stranden Leidenschaften, / Wo die Sehnsucht der Schiffbrüchigen / Zuflucht findet. // Wenn die Last des Körpers / verschwimmt, bekommt das / Strandgut des Lebens Auftrieb / Und geht mit dem Strom / Des Vertrauten dahin.“

Er nimmt den Leser mit zu Strandspaziergängen, auf das Surfbrett, unter Wasser. Auch nach Binz. Und auf die Insel Vilm, auf die „Insula Illuma“:

„Am Ufer Keimblätter / Zartgrüner Frühlingssegel. / Meersstrudel knistert / Im körnigen Sand. // Majestätische Buchen, / Hallen des Fernwehs. / Königreich der Eichenzepter. Humose Wärme / Bettet die purpurnen Leberblumen. . . Erzähle uns / Von der Vergangenheit / Als Deine Rinde noch glatt war / Und das Meer / Flimmernde Zeilen auf Dir schrieb.“

Einige seiner Texte erschließen sich erst nach mehrmaligem Lesen. Sie sind inspirierend, teils mystisch. Widerspiegeln sein Innerstes. Surfen als Philosophie. Oder gar als Religion?

„Surfen eint, das ist ganz klar. Es ist eine Lebensbühne, auf der man lernen kann, auch mit Angst umzugehen. Hier erfährt man die Grenzen und die Endlichkeit des eigenen Tuns. Das Surfen lehrt auch Bescheidenheit. Wenn ich es mit einer Religion vergleichen würde, dann geht es eher in Richtung Buddhismus als in christliche Tradition.“

Der Lyrikband von Oliver Thassler ist ein Kleinod, liebevoll und warmherzig geschrieben, voller Wortbilder. Phantasievoll und tief lässt er den Leser eintauchen in seine Welt und spricht dabei nicht nur passionierte Surfer an. Vielleicht läuft er Ihnen ja mal über den Weg: Er arbeitet im Naturerbe Zentrum Rügen bei Prora.

 

 

Der Lyrikband „Das Frühlingsmeer“ von Oliver Thassler ist erschienen im Deutschen Lyrikverlag, hat 56 Seiten und kostet 8,30 Euro. ISBN: 978-3-8422-4055-1

 

Repro Buch: Holger Vonberg

Porträt Binzer Seebrücke und Neoprenanzug: Holger Vonberg

Foto (cut back): Rüdiger Herzog

 

 

 


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