Das Dorf Thesenvitz in der Inselmitte ist einer dieser Orte, durch den man meistens einfach nur durchfährt, wenn man beispielsweise einen Schleichweg von Bergen nach Ralswiek nimmt. Inmitten von Feldern gelegen, erreicht man ihn über eine kleine Allee. Es gibt zwar keinen Laden und auch keine Kirche, aber wie der ehemalige Bürgermeister Burkhardt Bartel so treffend bemerkte: „Thesenvitz ist mehr als nur eine Bushaltestelle und ein Briefkasten.“
In den 137 Häusern unterschiedlichster Baujahre wohnen 399 Bürger, die ihrem geregelten Tagwerk nachgehen, den Garten pflegen, freundlich grüßen und meistens gern für sich sind. In der ländlichen Ruhe „im Speckgürtel“ der Inselhauptstadt Bergen lebt man zufrieden, tut seine Arbeit, hat eine Bank vor oder hinter dem Haus stehen (je nachdem wo die Abendsonne hinkommt) und freut sich – und zwar mehr so ruhig und nach innen gerichtet, wie es dem Norddeutschen eigen ist.
Urkundlich verbrieft ist, dass bereits seit 700 Jahren Menschen diesem Lebensgefühl auf jenem Fleckchen Erde nachgehen, deshalb feierte Thesenvitz an diesem Wochenende seinen 700sten Geburtstag.
Im Jahr 1314 wurde der Ort „Tesnevitze mit 10 Hufe veranschlagt“, erstmalig urkundlich als Bauerndorf vermerkt wie der Hobby-Ortschronist Wilhelm Lucas interessant zu berichten wusste. Das Denkmal mit dem frisch renovierten Handpflug in der Ortsmitte erinnert an den landwirtschaftlichen Hintergrund dieser Ansiedlung. Heute ist Thesenvitz nach dem kommunalen Anschluss in 2010 ein Ortsteil der Stadt Bergen, die von der Festwiese aus hinter dem Weizenfeld wohlwollend von ihrem Berg auf das Festtreiben herunterblickte.
Das mit dem Nach-innen-freuen bedeutet übrigens keines Falls, dass die Einwohner ungesellig sind, das wirkt nur im Alltag so. Jedenfalls am 05.Juli tanzte in dem zum Bersten gefüllten Festzelt Jung wie Alt und feierte in einer gelassenen Fröhlichkeit. Diesen einen Abend zumindest übertrumpfte Thesenvitz mit Tanzmusik und einem Höhenfeuerwerk die Kanonenschläge der Störtebeker Festspiele 2 Orte weiter. Nach dem Dixieland-Frühschoppen am Sonntag wurde das Festzelt dann eingepackt und Ruhe senkte sich wieder über Thesenvitz.
Am Montag wird dann jeder wieder seinem geregelten Tagwerk nachgehen und eventuell auf seiner Gartenbank in der Abendsonne sitzen.
Wenn Sie irgendwann einmal die kleine Allee entlang fahren und durch Thesenvitz kommen, werden Sie sicherlich die Bushaltestelle sehen, vielleicht auch den Briefkasten. Wenn Sie dann die Felder riechen und die Ruhe bemerken, kann es sein, dass Sie sich plötzlich ein bisschen freuen – so nach innen.
6 Kommentare
7. Juli 2014 | 11:25
Trifft das Lebensgefühl in Thesenvitz wie den Nagel auf den Kopf. Am Sonntag nach dem Fest versank das Dorf wieder in seinen Dornröschenschlaf aber eigentlich finden es alle Schade.
7. Juli 2014 | 16:17
Habe mich gerade von meiner Gartenbank aufgerafft, um dem Kommentar von Lutz voll zuzustimmen. Gehe auch gleich wieder zurück, auf die Gartenbank, um dem „Unkraut“ beim Wachsen zuzusehen und die innerliche Freude dabei zu genießen. Also, bitte nicht stören…;-)
8. Juli 2014 | 11:19
Ok.Störe ungern die Ruhe,sitze selbst gern auf der Bank aber Bänke kann man auch zusammenschieben. Und ein Drink schmeckt auch auf einem Stoppelacker, wie man am Wochenende ja gesehen hat. Aber psst…will wie gesagt nicht stören.
9. Juli 2014 | 16:09
Gut. Ich bringe den Drink mit und Du die Gartenbank. Aber nicht so schnell. Nach 700 Jahre Ruhe in Thesenvitz müssen wir ja nichts überstürzen.
9. Juli 2014 | 17:03
Bin mehrmals im Jahr zu Besuch in Thesenvitz,
der Bericht über das Fest und die Bewohner
weckt gleich Vorfreude auf das nächste Mal.
Auf dem Spaziergang erst durch den Ort und dann
zum Nonnensee die Ruhe und die Luft genießen
und mich einfach freuen….mehr so nach innen
9. Juli 2014 | 20:35
Ich persönlich fand das Dorffest sehr gelungen und alles andere im Artikel oben stimmt so auch. Und jetzt weiß wirklich JEDER, wer sein Nachbar ist.Also auf ein Neues in 700 Jahren…